Die Tochter des Todesengels

Ich lief nun schon mehr als zwei Stunden diese Straße entlang. Weit und breit gab es nichts weiter als eine heiße Geröllwüste mit vereinzelten dürren Büschen und Grashalmen. Man hatte mir gesagt, dass ich in dieser abgelegenen Gegend nur zwei Dinge finden würde: den Mann, der mich auf die Welt gesetzt hatte und den sicheren Tod.

Dass beides untrennbar miteinander verknüpft sein würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Zwei Monate zuvor

„Oh mein Gott, Mum, hörst du mich? Mum, so sag´ doch was…!“
Serenas Mutter hustete. Das Atmen fiel ihr sichtlich schwer. „Serena… du musst gehen. Hier ist es zu gefährlich… das Auto… wird gleich explodieren… beeil dich.“
„Aber was ist mit dir? Ich kann dich doch nicht im Stich lassen. Komm, ich…“
„ Es geht nicht anders, Kleines. Du musst gehen. Schnell.“
„Mum, bitte. Gib nicht auf!“ Tränen liefen mir das Gesicht hinab. Als ich sie wegwischte, war auch Blut darunter. Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Kopf entsetzlich schmerzte, aber das war mir egal. Widerwillig erhob ich mich und schaute noch mal zurück. Der flehende Blick von Mum sagte mir, dass ich mich sputen sollte, also rannte ich los. „Keine Angst, Kleines! Dein Vater wird über mich wachen.“, rief mir Mum noch hinterher. Ihre Worte irritierten mich. Ich blieb stehen und kurz glaubte ich, einen schwarzen Schemen neben ihr zu erkennen. Die Sekunden verstrichen, in denen ich Mum ansah und nach den passenden Worten suchte. Sie sah zu mir, lächelte mich noch einmal herzlich an, formte mit ihren Lippen ein „Ich liebe dich“. Bevor ich etwas entgegnen konnte, explodierte der Wagen meiner Mutter und eine Druckwelle riss mich zu Boden. Dabei traf mich etwas am Hinterkopf und mir wurde schwarz vor Augen.

Wo bin ich hier, dachte ich. Es sah aus wie ein Krankenhaus und war doch irgendwie anders. Die Menschen, die Pflanzen, die gesamte Umgebung war eine einzige Grauzone und ich stand mittendrin in meinen schmutzigen, zerrissenen Klamotten. Ein seltsamer Ort… und da…. War da nicht gerade ein alter Mann mit Krückstock durch die Wand gelaufen?  Und dieser Typ mit dem Dreitagebart? Schaute er mich an oder durch mich hindurch? Als ich mich umdrehte, war da keiner. Also schaute er mich an.
Dann begann er zu sprechen. „Hallo. Neu hier? Noch nicht lange tot, was? Ging mir genauso wie dir als ich hier ankam. Das Grau kann mit der Zeit ziemlich deprimieren, aber keine Angst, man gewöhnt sich dran.“
„Wer sind Sie?“, fragte ich ihn. Dass er mich für tot hielt, ignorierte ich erst einmal.
„Ich bin Roy, bin ’86 erschossen worden, weil ich mich mit den falschen Leuten umgeben habe. Naja, is‘ lange her. Welches Jahr haben wir eigentlich?“ “
„2015. Und warum sagst du, ich sei tot?“, griff ich seinen vorletzten Kommentar noch einmal auf.
„ Weil du´s bist. Jeder, der hierher kommt, ist tot…ohne Ausnahme“, setzte er noch hinzu, als ich was Schlaues entgegnen wollte. Er schnitt mir das Wort ab und fragte nun mich aus. „Wer bist du eigentlich? Hast dich noch gar nicht vorgestellt. Also, wie heißt du, wo kommst du her und was ist dir passiert?“ Sollte ich ihm antworten? Die Antwort auf diese Frage wurde mir abgenommen, denn im nächsten Moment begann sich alles um mich herum zu drehen, Roy klappte der Mund auf und ich verschwand unter seinen Augen. Ich fand mich auf einer Intensivstation wider. Das heißt mein Geist fand den Körper dazu. Genau, ich stand buchstäblich neben mir und überlegte nun, wie ich in meinen Körper hineinfahren könnte. Ich trat näher an mein Bett und spürte plötzlich wie mich eine Art Sog erfasste und mich in meinen Körper zurücktrieb. Ging ja doch ganz einfach, dachte ich, dann wachte ich auf. Meine Kopfschmerzen waren fort. Dafür taten mir allerdings meine restlichen Körperteile weh, so als hätte mich ein Zug überrollt.

Vor meinem Zimmer waren Stimmen zu hören. Sie stritten miteinander. Als ich durch das Fenster sah, erkannte ich meinen Vater, der eine Stationsschwester  anschrie. „Dad“, rief ich so laut ich konnte. Meine Stimme war ganz heiser. Doch Dad hatte mich gehört und trat unter heftigen Protesten seitens der Schwester ein.  Er kam auf mich zu und umarmte mich stürmisch. „Gott sei Dank!“, schluchzte er mir ins Ohr und drückte mich innig. „Aua, Dad, nicht so fest!“
„Oh entschuldige bitte Serena! … Es ist nur … ich bin so froh, dass es dir besser geht!“ Tränen standen in seinen Augen und er wischte sie fahrig mit den Händen weg. „Nicht weinen, Dad, sonst muss ich auch noch anfangen.“ Doch die Dämme brachen bereits. Auch meine Augen füllten sich mit Tränen und ich musste an den Unfall zurückdenken, an Mum, eingequetscht im brennenden Auto, meine Hilflosigkeit, Mums Lächeln am Schluss und ihre letzten Worte, die mir ein Rätsel waren. Und die Tränen strömten nur so dahin und ich schluchzte laut. Dad versuchte mich zu trösten, doch es wollte ihm nicht so recht gelingen.

Ich merkte nicht, wie die Schwester mir eine Beruhigungsspritze gab und spürte nur eine große Müdigkeit, die mich plötzlich überfiel. Wenige Augenblicke später war ich eingeschlafen.

Fortsetzung folgt…

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3 commenti su “Die Tochter des Todesengels
  1. Lieben Dank für den Fantasybeitrag auf Calenthiora Epic! Das ist schon mal eine sehr spannende Vorschau auf die kommendenden Geschehnisse deiner Geschichte. Well done, Syndrie 🙂

  2. Astrid sagt:

    Woher weißt du denn, dass dir eine Beruhigungsspritze gesetzt wurde, wenn du nur die Müdigkeit gemerkt hast? Problem mit der Ich Perspektive. Aber sonst sehr spannend. Hoffe ebenfalls es geht weiter.

    • Katja Jokisch sagt:

      Vielen Dank für deine Kritik.

      Da sieht man, dass ich noch Anfänger bin, als Autor 🙂

      Ich werde die Geschichte abändern und versuchen in einer Erzählperspektive zu bleiben. Die Krankenhausepisode muss ich auch nochmal überarbeiten. Vielleicht kürze ich sie auch ab, ich neige sowieso oft dazu, viel zu viel zu erklären. War das bei dir anfangs auch so?

      Es freut mich

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